Squirting bei Frauen: Was wirklich dahintersteckt

Squirting zählt bis heute zu den heiß diskutierten Phänomenen weiblicher Sexualität. Zwischen Mythen, Pornobildern und medizinischer Unwissenheit blieb lange unklar, was diese Flüssigkeit eigentlich ist, woher sie stammt und welche Bedeutung sie für das sexuelle Erleben hat. Die Forschung der letzten Jahre hat das Bild glücklicherweise präzisiert. Die Erkenntnisse wirken unspektakulär und gerade deshalb befreiend. Sie räumen mit vielen kulturellen Vorstellungen auf und schaffen Raum dafür, dass Frauen ihren Körper und ihre sexuelle Reaktion entspannter und selbstverständlicher erleben können.

Was wir heute wissen: Squirten meint das Ausstoßen größerer Flüssigkeitsmengen aus der Harnröhre während sexueller Erregung. Die wissenschaftliche Literatur unterscheidet heute sauberer zwischen zwei Formen: weibliche Ejakulation (female ejaculation) und Squirting (female expulsion). Das ist wichtig, weil beide oft miteinander verwechselt wurden.

Weibliche Ejakulation wird eine meist geringe Menge milchig-weißer Flüssigkeit bezeichnet, die aus den sogenannten Skene-Drüsen stammt. Chemisch ähnelt sie tatsächlich dem Sekret der Prostata beim Mann. Diese Flüssigkeit ist relativ gut untersucht und gilt als eigenständiges weibliches Drüsensekret. Es tritt ausschließlich im Zusammenhang mit körperlicher Erregung auf, die allerdings nicht immer bewusst wahrgenommen wird. Viele Frauen bemerken kleine Mengen dieses Sekrets erst in ihrer Unterhose, ohne es eindeutig zuordnen zu können, und halten es möglicherweise für zyklusabhängige Vaginalsekrete, die sich jedoch in Ursprung und Zusammensetzung davon unterscheiden.

Squirting dagegen ist das, was in populären Diskursen gemeint ist: größere Mengen klarer Flüssigkeit, die mit Druck aus der Harnröhre austreten – und wenn die entsprechende Region (periurethralen Gewebe) stark stimuliert wurde und entsprechend angeschwollen ist, eben auch regelrecht herausspritzen kann. Studien, die Bildgebung und Laboranalysen kombiniert haben, zeigen ein konsistentes Muster. Die Harnblase füllt sich während intensiver Stimulation, manchmal deutlich, obwohl die Frau vielleicht kurz zuvor urinieren war. Der Ausstoß beim Squirten besteht dann überwiegend aus stark verdünntem Urin. Gleichzeitig finden sich fast immer auch Spuren der oben erwähnten Drüsenflüssigkeit, da die Region der Skene-Drüsen während der Stimulation meist mitaktiviert wird. Das bedeutet: Es handelt sich weder um eine „reine“ Urinausscheidung noch um ein reines Drüsensekret, sondern um ein Mischphänomen, bei dem der Anteil aus der Blase jedoch deutlich überwiegt.

Weil der Prozess kein klassischer Harndrang ist, kann er sich für viele Frauen verwirrend anfühlen. Die Region rund um Harnröhre und Skene-Drüsen, also das periurethrale Gewebe, ist hochsensibel. Intensive Stimulation kann Reflexe auslösen, die sich kaum mit herkömmlichen Empfindungen vergleichen lassen. Viele Frauen beschreiben diesen Moment als Schwelle zwischen Lust, Harndruck und einem inneren „Lassen“. Genau hier beginnt die kulturelle Dimension: Viele halten diesen Reflex bewusst oder unbewusst zurück. Scham, Konditionierung und die Angst, die Kontrolle zu verlieren, prägen das Erleben oft stärker als die Möglichkeit, befreit loszulassen und diese Praktik in das Liebesspiel zu integrieren.

Anatomisch besitzt jede Frau die Strukturen, die Squirten grundsätzlich ermöglichen können. Die Ausprägung der Drüsen, ihre Beschaffenheit und der Tonus des Beckenbodens variieren jedoch individuell. Manche Frauen haben größere Drüsenkomplexe, manche kleinere. Dazu kommen Faktoren wie Erregungsniveau, Art der Stimulation, Vertrauen und Kontext. Und natürlich die Frage, ob jemand diesen Prozess überhaupt zulässt, mag, neugierig darauf ist. Manche Frauen erleben Squirting regelmäßig, manche nie, manche zufällig. Wichtig ist festzuhalten: Squirten ist kein Qualitätsmerkmal und sagt rein gar nichts über sexuelle Kompetenz aus.

Sexologisch wird Squirting deshalb nicht als „besonderer Orgasmus“ verstanden, sondern als ein möglicher Ausdruck erotischer Intensität. Manche genießen es, manche finden es irritierend, manche erleben es nie und sind vollkommen zufrieden. Für viele Frauen ist die entscheidende Frage weniger, ob sie „es können“, sondern wie sie sich dabei zu ihrem Körper – und zu einem möglichen Sexualpartner – verhalten. Was bedeutet Loslassen für sie und welche Vorstellungen, Ängste oder Normen verbinden sie mit dieser Flüssigkeit? Viele Frauen wünschen sich, „squirten zu können“. Viele Männer möchten „es auslösen“. Daraus kann ein erotisch aufgeladenes Kompetenzideal entstehen, das selten zu einem lustvollen Erleben führt, sondern eher lusthemmenden Druck erzeugt.

Erotische Bedeutung und spielerische Räume
Squirting und Golden Shower sind unterschiedliche sexuelle Phänomene, doch sie bewegen sich in benachbarten Bedeutungsspielräumen. Beide können erotisiert oder sexualisiert werden. Beide beziehen Körperflüssigkeit aus der Blase mit ein. Und beide verlangen ein inneres Milieu aus Vertrauen, Entspannung und psychischer Offenheit.

Auch beim Urinieren auf das Gesicht oder den Körper des Partners (Golden Shower) handelt es sich um einen körperlich wie psychisch hochsensiblen Prozess. Wer angespannt ist, sich beobachtet fühlt oder Angst hat, „funktionieren zu müssen“ und in diesem Moment „nicht zu können“, erlebt schnell eine körperliche Blockade.

Gerade das zeigt, wie eng körperliche Reaktionen, erotische Fantasien und Praktiken miteinander verwoben sind. Das Spiel mit Körperflüssigkeiten kann – wenn es gewollt ist – eine schöne Spielart von vielen sein. Ein Ausdruck von Intimität, Tabu, Vertrauen oder Macht. Squirting und Golden Shower eröffnen hier unterschiedliche, aber verwandte Erfahrungs- und Spielräume. Beide berühren die Frage, wie sichtbar Körperlichkeit im erotischen Geschehen sein darf und welche Bedeutung Körperflüssigkeiten im persönlichen erotischen Skript erhalten.